Eine Milliardärin auf Rachefeldzug

Dürrenmatts Klassiker «Besuch der alten Dame» zeigte am Dienstagabend nicht nur Abgründe einer Liebesbeziehung, sondern auch der Gesellschaft. Eine Theaterkritik von Luc Hardmeier.

Bild: Alfred Ill ahnt noch nicht, was kommen wird… (Foto: Selwyn Hoffmann, Bericht: Luc Hardmeier)

«Ich biete eine Milliarde dafür, wenn ihr den beliebtesten Mann des Städtchens tötet!» Die Forderung von Claire Zachanassian an die Bewohnerinnen und Bewohner des heruntergekommenen Ortes mit dem tristen Namen «Güllen» war klar und deutlich. Alfred Ill hatte sie in den Jugendjahren schwanger sitzen gelassen und vor Gericht Zeugen bestochen, um die Vaterschaft zu leugnen. Die Betrogene musste mit Schimpf und Schande Güllen verlassen, wurde zu einer Prostituierten und verlor ihr Kind. Nach 45 Jahren kehrte die alte Dame zurück. Mittlerweile als Milliardärin fordert sie grausame Gerechtigkeit für ihr erlittenes Unrecht.  Das Stück wurde 1956 uraufgeführt und in der damaligen Literaturepoche der Nachkriegszeit war die Schuldfrage ein zentrales Thema. Die Gäste im Stadttheater waren deshalb mit der Frage konfrontiert, wer eigentlich das Opfer in der Geschichte sei. Ist es Alfred Ill, auf den ein Kopfgeld für ein fieses, aber längst verjährtes Verbrechen ausgesetzt war oder ist es Claire Zachanassian, deren Leben und Psyche durch den Verrat ihres einstigen Geliebten für immer geschädigt wurden? Dürrenmatt hat das Stück als Gleichnis, eine sogenannte literarische Parabel konzipiert. Claire und Ill stehen für alle Europäer nach dem 2. Weltkrieg, die Opfer von Hitler wurden, aber teilweise auch als Mitläufer oder begeisterte Unterstützer mitmachten. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Wer ist Schuld, dass Hitler so weit gehen konnte? Das zerrüttete Güllen steht für das zerstörte Europa nach dem Krieg. Man will vergessen, man will konsumieren. Die Moral vieler Politiker und deren Umgang mit Geld ist für Dürrenmatt mit «Gülle» zu vergleichen. Das Münchner «Ensemble Persona» hat das Stück zusammen mit dem Stadttheater sehr klassische inszeniert. Fast 1:1 wurde die Buchhandlung wiedergegeben. Es gab keine Modernisierung wie etwa in der Verfilmung von 2008, als die alte Dame mit dem Helikopter anstatt mit dem Zug in Güllen ankommt. Ein Höhepunkt der Inszenierung war sicherlich die Gemeindeversammlung über die Verurteilung von Ill zum Tode. Plötzlich sassen die Schauspielerinnen und Schauspieler inmitten des Stadttheater-Publikums. Die Verurteilung wurde nur von ihren wenigen Händen gutgeheissen. Trotzdem sprach die Gemeindepräsidentin von einem einstimmigen Mehrheitsentscheid. Jeder konnte sehen, dass es falsch war. Die groteske Situation hätte Dürrenmatt als Fan des Verfremdungseffekts sicherlich gut gefallen. Denn sie zeigte gnadenlos auf, wie moralisch falsch die Güllener handeln. Die alte Dame will keine Gerechtigkeit, sie will gnadenlose Rache und Ills Tod. Die Schuldfrage, die Gerechtigkeit, Geld und Moral sind Themen, die angesichts der der heutigen Kriege und Krisen aktueller denn je sind. Die Inszenierung war mit zweieinhalb Stunden etwas lange ausgefallen, zeigte aber wunderbar die gesellschaftskritische Tiefe des Stückes auf.

Von Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Donnerstag, 25. September 2025.

Eine Überraschung jagte die nächste am Hausfest

Am traditionellen Hoffest der Kammgarn am Samstagabend war dieses Jahr alles anders. Es gab keinen Hof, keine Bands und jede Menge Spezialeffekte. Von Luc Hardmeier.

Bericht: Luc Hardmeier, Foto: Gloria Müller/ Schaffhauser Nachrichten

«Grundsätzlich ist unser Hausfest aus der Not entstanden», erklärte Pascal Bührer von der Kammgarn. «Weil wir ja bekanntlich wegen der riesigen Baustelle vor dem Haus keinen Hof mehr haben, suchten wir nach Alternativen.» Die Idee mit einem Abend mit Livebands im Mosergarten wurde schnell verworfen, da der Aufwand für «nur» einen Abend enorm gewesen wäre. «Die Baustelle hat uns immer wieder zur Kreativität gezwungen», so Bührer. «Plötzlich hatten wir eine kleinere Terrasse oder keinen Platz mehr. Jetzt einfach den Kopf in den Sand zu stecken und dem «verlorenen» Hof nachzutrauern, ist nicht unsere Art.» Das Team besann sich darauf, dass ja mit der Kammgarn ein Haus mit diversen Räumen zur Verfügung steht. Und so kam der zündende Gedanke: «Wir machen ein Hausfest. Und zwar eines, bei welchem wirklich das ganze Haus involviert ist», erklärte Pascal Bührer. Auf fünf Floors spielten sodann 12 verschiedene DJs. In der Werkstatt von Hausi Naef war die Zäpfli-Bar eingerichtet, wo man inmitten seiner Werkzeuge, alten Fotos und viele Kabeln in bunten Kisten einen kühlen Gerstensaft geniessen konnte. In einem der Backstage-Räume fand sich ein Tattoo-Studio, das für bleibende Erinnerungen an den Anlass sorgte. Der Mainfloor in der Haupthalle mit dem Knight Rider – Soundsystem und den Floorfillers war nur über den Seiteneingang erreichbar. Die Haupttüre blieb zu. In der Kammgarnbeiz war ein Techno-Elektro-Floor installiert und auch die Terrasse wurde zur musikalischen Karibikbar umfunktioniert. Das Spezielle am Hausfest war, dass man die Kammgarn so entdecken konnte, wie man sie noch nie gesehen hatte. Neben vielen dekorierten Räumen jagte eine Überraschung die nächste. Plötzlich wurde in einem Nebenraum eine Karaokebar eröffnet, aus welcher schon bald aus einer Vielzahl von Kehlen «Yellow Submarine» von den Beatles und weitere Klassiker zu hören waren. Um Mitternacht wurde ein weiterer Hidden Floor im Getränkelager eröffnet, in welchem man zu Schlagermusik feiern konnte. Türen, die anfangs verschlossen waren, wurden plötzlich geöffnet und gaben ihre Geheimnisse preis. «Ich finde das echt spannend, wie ich die Kammgarn heute erlebe», meinte ein Gast, der schon seit Jahren das Ausgangslokal besucht. Das Hausfest war dieses Jahr eher ein Partyabend für ein jüngeres Publikum, anstatt wie früher ein Kulturabend mit Bands, Sitzgelegenheiten und Familienprogramm. Einige der Besucherinnen und Besucher vermissten die Foodstände für ein geselliges Abendessen und die vielen Livebands mit der einzigartigen Stimmung im Hof. Doch die erfrischenden Überraschungen am Hausfest entschädigten die meisten. Und alle anderen kann Pascal Bührer beruhigen: «Sobald wir wieder einen Hof haben, wollen wir natürlich dort wieder mit Bands und Co feiern.»

Von Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 1. September 2025.

Hecht surfte inmitten der Menge auf der Partywelle

Am Samstagabend brachte die Luzerne Band Hecht den Herrenacker zum Kochen. Ein Konzertbericht von Luc Hardmeier.

Bericht: Luc Hardmeier, Foto: Melanie Duchene, SN.

Das Konzert begann gleich mit einer Partyexplosion. Ein riesiger weisser Vorhang hatte die Bühne verdeckt und wurde mit einem Knall fallengelassen. Dahinter feierten bereits die fünf Musiker von Hecht und sprangen begeistert im Takt den Gästen entgegen. Aus mehreren Kanonen wurden weisse Konfetti geschossen. So dass es auf dem Herrenacker für kurze Zeit zu schneien begann. Das Publikum war aufgeheizt von Nemo und liess sich nicht lange bitten. Es wurde mitgesungen und mitgesprungen. «Baby, lah di la gheie», sangen unzählige Kehlen auf dem rappelvollen Festival inmitten der wunderschönen Altstadt-Kulisse. Die Band wurde ursprünglich in Luzern um das Jahr 2000 gegründet und stand nach 2016, 2018 und 2022 nun das vierte Mal in Schaffhausen auf der Bühne. «Wir haben uns so gefreut auf euch und auf die Szenerie mit den beleuchteten Häusern», sagte Sänger Stefan Buck und fragte humorvoll: «Wir haben neue Songs, aber auch die alten Hits dabei. Habt ihr Zeit?» Es erklangen Partyknaller wie «Amigo», aber auch nachdenkliche Songs wie «Blau in Grau». Die fünf Musiker spielten sich nicht nur in die Herzen der Stars in Town – Besucherinnen und Besucher, sondern traten auch immer stärker aufs Party-Gaspedal. «Es ist ohne Scheiss eines von unseren Lieblingsfestivals», rief der Frontmann, bevor er auf ein Surfbrett stand und sich auf den Händen der Gäste durch die Menge tragen liess. Er sang und surfte inmitten des Publikums. Der Hexenkessel auf dem Herrenacker kannte kein Halten mehr. Die Musiker von Hecht begeisterten nicht nur mit tollen Songs und passenden Tanzeinlagen, sondern vor allem mit ihrer natürlichen Freude. Man spürte ihre Begeisterung und dass sie wirklich zu 100% Lust hatten, in der Munotstadt bis zur Geisterstunde durchzurocken. Speziell an Hecht ist auch, dass viele ihrer Lieder im Radio eher gemütlich rockig klingen, wenn sie live gespielt werden, aber ordentlich Power, Dynamik und eine Prise Rock’n’Roll beinhalten. «Mon Amour» oder «Auerbach» waren zwei Paradebeispiele dafür. Als wäre das noch nicht genug, hatte die Combo zusätzlich noch viele Überraschungen im Gepäck. Mal spielten sie im weissen Federnkostüm, mal dirigierte Stefan Buck einen Partykreisel inmitten des Herrenackers oder kniete mit allen in die Hocke und sprang gemeinsam beim Refrain in die Luft. Plötzlich spielte Hecht auf einer kleinen Bühne inmitten des Publikums. Die Gäste forderten Zugabe um Zugabe bis schlussendlich die zwei Megahits «Kawasaki» und «Charlotta» die Stimmungsrakete nochmals Vollgas ins Weltall beförderten. «Schaffhausen, wir merken, ihr wollt noch gar nicht heimgehen. Sehen wir uns bald wieder?», wollte Stefan Buck wissen und ein begeistertes «Jaaa!» stürmte ihm entgegen. Aus mehreren Kanonen wurden rote Blätter ins Herzform ins Publikum geschleudert und beim Abschlusssong sprangen riesige bunte Ballone durch die Luft. «Es war unvergesslich mit euch!», freute sich die Band und verabschiedete sich von einem durch und durch begeisterten Publikum.

Von Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 4. August 2025.

Eine Reise vom Sofa-Dub zum Reggae-Vulkan

Am Mittwochabend sorgte der Reggaekünstler Alborosie für jamaikanische Sonnenstrahlen im verregneten Schaffhausen. Eine Konzertkritik von Luc Hardmeier.

Foto: Alborosie in der Kammgarn. Bericht: Luc Hardmeier. Foto: Michael Kessler.

Es war zunächst ein nasser und kalter Abend in Schaffhausen, der aber schon bald eine unerwartete Wendung nahm. Am Mittwochabend machte der gebürtige Sizilianer Alberto D’Ascola einen Tourstopp in der Kammgarn. Unter dem Künstlernamen Alborosie hat er sein neustes Album «Destiny» im Gepäck dabei. Mit verspiegelter Sonnenbrille und unendlich langen Rastas betrat er die Bühne und wurde von seiner sechsköpfigen Band «Shengen Clan» dabei unterstützt. Vor gut 250 Gästen startete er mit gemütlichem Dub, Reggae und Rocksteady. Es war fast ein bisschen, als hätte man sich auf ein Sofa am Sonntagabend zum Chillen hingesetzt und würde allen Stress und alle Sorgen hinter sich lassen. Alborosie schaffte es gekonnt, den Sofa-Dub im Verlaufe des Abends in einen heiss zischenden Reggae-Vulkan umzuwandeln. Die Musik steigerte ihr Tempo und mischte sich mit Dancehall und weiteren Elementen. Seine anfangs sanfte Stimme wurde rauer und lauter. Den Party-Zeigefinger erhob er inflationär vor dem Publikum und liess sie nicht nur mitsingen, sondern animierte sie auch zum Tanz im brodelnden Hexenkessel. «Do you want more Reggaemusic?», wollte er wissen und das Publikum feierte ihn dafür. Natürlich durften seine Hits wie «Kingston Town» und «Herbalist» nicht fehlen, welche er überraschend früh zum Besten gab. Die verregnete Munotstadt wurde mit den warmen Sonnenstrahlen Jamaikas geflutet und verwandelte sich für einige Stunden in eine karibische Insel mit Sandstrand, Meeresrauschen und Palmen, welche im Offbeattakt mitwippten. Geschickte mischte Alborosie seine Songs mit bekannten Coverliedern auf. So erklang beispielsweise eine eigene Version von «Here Comes The Hotstepper» oder «Murder She Wrote». Alborosie erzählte kaum etwas zu den Songs, sondern reihte einen Knaller an den nächsten. Schön war zu sehen, dass im 2. Teil der Show auch die Backgroundsängerinnen zentrale Bühnenpräsenz bekamen und den Frontmann für einen Moment ablösten. Alborosie trat sodann respektvoll an den Bühnenrand und später unterstützte er sie, indem er seine langen Rastas wie ein Lasso im Takt mitschwang und das Publikum damit zum Mitfeiern animierte. Die Bühne war meist in rote und gelbe Farben getüncht, was zusätzlich zum karibischen Feeling beitrug. Der Auftritt war mitreissend und energievoll. Etwas überraschend verschwand Alborosie jedoch schon nach nur knapp einer Stunde Show von der Bühne. Er liess sich jedoch nochmals für ein paar Songs als Zugabe aus dem Backstage locken. Diesmal sogar ohne Sonnenbrille. Wer nach dem Konzert noch nicht müde war, durfte im Anschluss bei den Partyvibes von Real Rock Sound noch kräftig das Tanzbein schwingen.

Von Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 6. Juni 2025.

Wenn Freunde zu Feinden werden

In Molières Stück «Menschenfeind» ging es um die Frage, ob es immer klug ist, die Wahrheit zu sagen. Eine Theaterkritik von Luc Hardmeier.

Bericht: Luc Hardmeier, Foto: Tanja Dorendorf.

«Ich hasse alle Menschen!», mit diesem und ähnlichen Zitaten machte der Protagonist Alceste schnell klar, dass er vordergründig wenig Freude am Leben hat. Am Freitagabend lud das Theater Kanton Zürich in Feuerthalen zur Komödie von Molière ein. Es hätte eigentlich ein perfekter Sommerabend mit einem Freilichtspiel auf dem Stumpenboden werden sollen. Doch die Kälte und Regengefahr zwangen die Schauspieler in die sichere Turnhalle. Diese war jedoch gut besucht und die Gäste durften sich zunächst vom Frauenverein Feuerthalen bewirten lassen. Nach einer kurzen Begrüssung durch Gemeinderat Holger Gurtner startete sodann das zweistündige Schauspiel. Die schlechte Laune des Antihelden Alceste sorgte zunächst für einige Lacher. Er wollte keine Freunde haben und verfluchte sogar potentielle Weggefährten, die ihm die Hand reichen wollten. Besonders hart traf es dabei den mässig talentierten Poeten Oronte. Er trug Alceste ein Sonett vor, welches dieser mit Verachtung strafte. «Am besten verstecken Sie dieses Sonett unter dem Bett. In einem Koffer», so Alcestes vernichtender Kommentar. Er ging sogar noch weiter und warf Oronte vor, dieser könne nicht dichten. Oronte zog darauf als beleidigte Leberwurst vor Gericht und die mögliche Freundschaft endete in einer Feindschaft, welche sich auch noch auf einer anderen Ebene zeigte. Beide hatten ein Auge auf die Wittwe Célimène geworfen. Diese feierte wilde Feste und umgab sich stets mit einer Gruppe von Menschen, die sie bewunderten, anhimmelten und sich von ihr unterhalten liessen. Es stellte sich heraus, dass Alceste doch nicht alle Menschen hasste, sondern eine glühende Liebe für Célimène entfachen konnte. Auch wenn sein Verhalten voller Widersprüche war. Hier zeigte sich die Stärke von Molières Stück. Alceste war nicht einfach ein plumper Nörgler, sondern ein verletzlicher Idealist, der eigentlich die wahre Liebe suchte. Célimène war nicht nur kokett, sondern auch scharfsinnig und selbstbestimmt. Die Figuren im Stück waren nicht einfach stereotypisch, sondern trugen innere Widersprüche in sich, welche dem Stück eine gewisse Tiefe gaben. Auch die Zeitlosigkeit des Theaters aus dem Jahre 1666 stach hervor. Alceste weigerte sich, gesellschaftliche Konventionen und höfische Heuchelei zu akzeptieren. Er liess sich nicht blenden und sprach unbequeme Wahrheiten aus. Unter der Regie von Elias Perrig stellte das Stück Molières zentrale Frage in aller Deutlichkeit: Wie viel Wahrheit verträgt der Mensch und die Gesellschaft? Dieser gesellschaftliche Klimmzug in der Turnhalle Feuerthalen war gelungen und klagte ganz offensichtlich auch heutige Politiker oder die Medienwelt an. Diese Botschaft war gut verpackt in wilden Tänzen, intelligenten Dialogen und kreativen Kostümen des Theaters Kanton Zürich. Natürlich war nicht alles perfekt. Einige Dialoge waren etwas langatmig gestaltet und auf der Bühne hätte ein Schuss mehr Action durchaus Platz gehabt. Doch insgesamt war dies ein sehr gelungener Theaterabend. Alceste vermasselt sich zwar ein Happy End mit Célimène, weil sie sich nicht mit ihm aus der Gesellschaft zurückziehen wollte, um auf dem Land zu leben. Doch er liess sich dadurch nicht beirren. Es schien fast so, als käme ihm dieses Scheitern gerade recht, um noch gnadenloser die Gesellschaft kritisieren zu können.

Von Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 26. Mai 2025.

Die Backgroundsängerin stahl allen die Show

Drei Solokünstler und zwei Bands entzündeten am Freitagabend ein jamaikanisches Feuerwerk in der Kammgarn. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Zhayna stahl allen die Show. Foto: Roberta Fele. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier.

Am Freitagabend wurde an der Baumgartenstrasse ein ausgiebiger Ausflug an die Strände Jamaikas unternommen. Gleich drei Solokünstler von der Karibikinsel waren angereist, um zusammen mit der «Free People Band» einen Partyabend der Sonderklasse zu zelebrieren. Als Vorband heizten «The Ammonites» aus Schaffhausen ein. «Jetzt kommt die Königin», kündigte anschliessend ein Bandmitglied die Künstlerin Zhayna an. Die junge Sängerin stand bereits mit internationalen Topacts wie Shaggy oder Koffee und Chronixx auf der Bühne. Allerdings lieferte sie damals «nur» die Vocals und amtete als Backgroundsängerin. Erst 2020 startete sie ihre Solokarriere. Am Freitagabend überzeugte sie das Publikum durch ihre Energie und ihre Dynamik. Sie spielte Songs in einer Mischung aus Reggae, Dancehall aber auch R&B, Jazz und eine kräftige Portion Soul. Es war nicht nur emotional berührend, sondern sie riss die Gäste auch gekonnt mit. «Seid ihr bereit, mit mir auf eine Reise zu gehen?», wollte sie wissen und erntete dafür laute Zustimmungsrufe. Sie brachte dem Publikum Tanzschritte bei und begeisterte mit Songs wie «Runaway» oder «Love the Way». Würde man am Strand in Montego Bay sitzen und gemütlich einen Cocktail schlürfen, wäre das der perfekte Soundtrack, um die Palmen, den warmen Sand und die Wellen Jamaikas geniessen zu können. Das Talent mit der schönen Stimme begeisterte alle. Nach kurzer Pause folgte der Künstler Jah Mason. Sein Album «Princess Gone… The Saga Bed» machte ihn zu einem Star der Reggae-Szene. In der Kammgarn brachte er Power, Geschwindigkeit und Dancehall auf die Bühne. Zudem wurde schnell klar, dass der Sänger mit der Sonnenbrille und dem Rasta-Turban ein guter Entertainer war. Für Schmunzeln sorgte er beispielsweise, als er einen ausgiebigen Werbespot für jamaikanische Rauchwaren machte und alle Gäste auf seine Ganja-Farm nach Jamaika einlud. Nach diesem tropischen Sturm war die Zeit für den Hauptact gekommen. Lutan Fyah stürmte mit seinem weissen Anzug und seinem weissen Bart die Bühne wie ein Raubtier auf seine Beute. Kaum zu glauben, welche wilden Tanzschritte der 49-Jährige zum Besten gab. Immer wieder sprang er auch auf den Lautsprecher vor der Tribüne und entzündete von dort aus ein Reggae-Feuerwerk. Pullover wurden in der Luft wie Helikopter-Rotoren geschwenkt und kein Fuss war zu sehen, der nicht im Offbeat-Takt fröhliche Verrenkungen vollzog. Beim Hit «Bossmann» schien die Kammgarn wie eine Rakete in den Himmel zu starten. Doch trotz der guten Performance waren viele Gesichter auf Zhayna gerichtet. Sie stand noch einmal als Backgroundsängerin neben Lutan Fyah. Zuvor auch bei Jah Mason. Für viele Anwesende war nach ihrem bombastischen Solo-Aufritt jedoch klar, dass an diesem Abend für einmal nicht der Hauptact, sondern ganz klar die Backgroundsängerin der Star des Abends war.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 24. März 2025.

Eine Badewanne voll kochendem Rock’n’Roll

Am vergangenen Samstagabend verwandelte sich das TapTab mit der Band «The Peacocks» in einen brodelnden Hexenkessel des Rock ’n‘ Rolls. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Foto: Gloria Müller, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier.

«Mein Herz fängt jedes Mal Feuer, wenn ich diese drei Rabauken auf der Bühne sehe», sagte ein Gast kurz vor Konzertbeginn im TapTab. Die Band «The Peacocks» ist ein Partygarant der Sonderklasse in der Munotstadt. Wenn sie auftreten, reissen sich die Gäste um die Tickets. Das TapTab war an diesem Abend sodann auch restlos ausverkauft. Mit ihren 10 Studio Alben und ihren Auftritten von Japan, Granada, über die Ukraine bis nach Irland hat die Formation jede Menge Erfahrung im Gepäck und macht seit ihrem ersten Konzert 1990 die nationalen und internationalen Bühnen unsicher. Sie wurden zwar in Zürich gegründet, gelten aber emotional als Schaffhauser Urgesteine. Am Samstagabend liessen sie zunächst den Vortritt der Vorband «The Stone Popsicles». Die fünf lokalen Musiker spielten einen Soundtrack aus dreckigen Gitarrenriffs und donnernden Beats und rissen von Beginn weg das Publikum aus der Komfortzone. Das war keine sanfte Einleitung, sondern eher ein Katapult, das direkt ins Epizentrum der Tanzgelenke traf. Die Gäste tanzten Pogo, schwenkten ihre Getränke und verwandelten das TapTab in einen ausbrechenden Vulkan. Kein Fuss blieb stehen, kein Ellbogen angewinkelt und keine Kehle ungenutzt. War das Stoner-Punk, Psych-Metal oder doch eher eine Abrissbirne, welche ein Hochhaus dem Erdboden gleichmachte? Zwischendurch sprang ein komplett nackter Gast auf die Bühne, was durchaus zum Exzess des Abends passte.

Jeder Song steigerte die Partystimmung

Während die Gäste kurz durchschnauften, brodelte es im Backstage-Bereich bereits. «The Peacocks» stürmten sodann als Hauptact die Bühne und liessen die Wände des TapTabs erzittern. Mit ihrem unverkennbaren Mix aus Punk, Rockabilly und Psychobilly wirbelten sie über die Bühne wie ein entfesselter Tornado, der das Adrenalin zum Kochen brachte. Der Auftritt von «The Peacocks» wirkte, als hätte jemand eine Badewanne voller kochendem Rock ’n‘ Roll umgekippt – brühend heiss, schäumend und unaufhaltsam. Das Trio spielte Songs von ihrem aktuellen Album «And Now What?» aber griff auch gerne in die Nostalgie-Kiste. Sie gaben ihre «Klassiker» zum Besten, die den TapTab-Gästen natürlich geläufig waren und voller Inbrunst mitgesungen wurden. Bei jedem Song schien sich die Partystimmung der Gäste noch zu steigern. Vom lauen Lüftchen zu Beginn zum Punkrock-Orkan in der Mitte und zum Abschluss eine von wilden Rockabilly-Wellen gepeitschte Achterbahnfahrt. «Ihr seid Helden!», schrie ein begeisterter Zuschauer mit tiefer Stimme. Die drei Musiker waren kaum zu bändigen. Drei wilde Bären, die sich mit scharfen Krallen und fletschenden Zähnen auf ihre Beute stürzten. Laut, ungestüm und unaufhaltsam. Der Abend im TapTab war ein musikalischer Rausch, der das Publikum mitriss und bewies, dass Rock ’n‘ Roll alles andere als tot ist.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 17. März 2025.

Poetry-Slam-Abend voller Überraschungen

Am 5. Provinzslam am Samstag in Andelfingen mischten spontan Gäste aus dem Publikum mit. Ein Bericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bericht: Hermann-Luc Hardmeier. Foto: Hermann-Luc Hardmeier.

Normalerweise ist ein Poetryslam ein sportlicher Wettkampf mit einem Knock-Out-System. Poetinnen und Poeten treten mit ihren Texten vor Publikum auf und werden mittels Applaus oder Bewertungsnummern in die nächste Runde oder auf den Nachhauseweg geschickt. Nicht so jedoch am Samstagabend in Andelfingen. „Manchmal möchte man von jemandem mehr als nur einen Text hören und dann ist es schade, wenn er rausgewählt wird“, sagte Moderatorin Rahel Fink. Die Veranstaltung fand diesmal im Saal der Kirchgemeinde statt, weil im Löwensaal die hohe Bühne etwas viel Distanz zwischen Gästen und Künstlern schafft und der Kirchgemeindesaal etwas mehr gemütliche Wohnzimmerstimmung versprühte. Unfreiwillig war am Samstagabend eine Männerrunde zustandegekommen. Die einzige Poetin des Abends Mia Ackermann war durch Probleme mit ihrem Flug nicht angekommen. „Ich bin ungern die Quotenfrau“, scherzte Rahel Fink. „Aber wir haben nun halt eine Brothers of Slam – Runde, was ja auch seinen Reiz hat.“ Und sie fügte ironisch an: „Schliesslich haben Männer in der Gesellschaft sonst sehr wenig Bühnenpräsenz.“ Die Moderatorin starte mit einem Text, bei welchem sie sich über den 6. November ärgerte. Der Tag, an welchem in den USA das Wahlresultat verkündet wurde. Sie sprach von sogenannten Sandkorn-Momenten, welche zunächst unwichtig erscheinen. Viele Sandkörnen zusammen ergeben jedoch eine riesige Weitsprunganlage und deshalb lohne es sich, auch in kleinen Situationen Zivilcourage zu zeigen.

Das Problem mit dem Bahngleis

Danach startete Jeremy Chavez. „Warum braucht es Ethik-Unterricht?“, wollte er wissen und nahm als Beispiel das sogenannte Trolley-Problem. Bei diesem Gedankenexperiment stellt man sich einen Zug vor, der an eine Weiche kommt. Auf der einen Schiene würde der Zug fünf Personen überrollen, auf der anderen Schiene eine Person. Nun ist die Frage, wie man die Weiche einstellen würde. „Der Fall ist eben nicht so klar“, erklärte Jeremy Chavez. „Normalerweise würde man fünf Personen retten.“ Doch was wäre, wenn unter diesen fünf jemand Schlimmes wie beispielsweise Hitler wäre? Er verknüpfte das Ganze mit einem kräftigen Seitenhieb gegen künstliche Intelligenz und selbstfahrende und selbstdenkende Autos.

Fischstäbchen und Revolution

Sehr kreativ waren danach Fabian Engeler und Pierre Lippuner als Duo „Pink im Park“. Sie sangen und erzählten eine Story, welche als Ode an das Fischstäbchen konzipiert war. Einzelpoet Sven Hirsbrunner erzählte im Anschluss die Story von der zwei Ameisen Anette und Beatrice, welche die Überreste eines Picknicks am Wegrand fanden. Sie philosophierten darüber, ob es Menschen gäbe, während sich das Publikum kugelte vor Lachen. Einen starken Auftritt zeigte sodann auch Pierre Lippuner mit einem Solotext, bei welchem er sich ärgerte, was mittlerweile bei einem Raclette-Abend alles für unnütze Zutaten und Beilagen dem echten Schweizer zugemutet werden müssen. Er forderte eine Revolution gegen Eisbergsalat, Tischgrill und Sösseli. „Rettet das Raclette!“, forderte er und stimmte mit den Gästen den Song „RacLET IT BE“ an, bei welchem er das Nationalgericht mit dem Beatles-Hit kombinierte.

Text schnell zuhause geholt

Nach der Pause gab es zwei schöne Überraschungen. Spontan hatten zwei Damen aus dem Publikum angefragt, ob sie ebenfalls Texte vortragen dürfen. Es begann Bettina Marte, welche rhetorisch die Frage stellte: „Wer kennt dumme Kinder?“ Sie verknüpfte dies mit amüsant-absurden Episoden aus ihrer Kindheit. Zum zweiten betrat Jeanne Weber aus dem Publikum die Bühne. Sie hatte in der Oberstufe einen Slamtext geschrieben und ihn spontan von zuhause in der Pause geholt. Sie liess Dampf ab über die Eintönigkeit auf dem häuslichen Speiseplan. Schlussendlich ende man meistens bei der Auswahl zwischen Pizza und Spaghetti. Der Höhepunkt des Abends war wahrscheinlich, als Jeremy Chavez seine Slam-Partnerin spontan durch Publikumsgast Markus ersetzte. Dieser begann ohne Vorbereitung einen Dialog-Text über Tipps für Demonstranten. Der Abend war spannend und humorvoll und zeigte: In Andelfingen ist offenbar auch bei den Gästen viel poetisches Talent vorhanden.

Erschienen am 27. Januar 2025 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Theatersport: Hardrock-Song über zersägte Bänkli

Beim Theatersport in der Kammgarn führt einmal im Jahr das Publikum Regie. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: „Bühnenpolka“ duellierte sich mit „TS Winterthur“. (Foto: Michael Kessler, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Man nehme einen Schiedsrichter, eine Band und zwei zweiköpfige Schauspielerteams. Und schon war die perfekte Backmischung für den Theatersportkuchen kredenzt. Am Freitag und Samstag fand der jährliche Theatersportwettkampf vom Schauwerk in der Kammgarn statt. Diesmal trat das Team «Bühnen Polka» aus München gegen die «TS Winterthur» an. Moderiert wurde das Ganze von einem Schiedsrichter, der Spiele für die zwei Mannschaften auswählte. Sie mussten sodann jeweils ein Kurztheater improvisieren, bei welchem aus dem Publikum Vorgaben wie der Ort, eine Stimmung oder beispielsweise ein Beruf aufgenommen wurden. Zum Schluss der Darbietung durften die Gäste Punkte vergeben und ein Siegerteam bestimmen. Im ersten Stop-and-Go-Spiel brauchte er für die gemeinsame Szene der Schauspieler einen Beruf. «Maurer», «Präsident» und «Archäologin» wurde gerufen. Die Schauspieler entschieden sich für die dritte Möglichkeit. Das Stück startete mit der Suche nach Knochen und Smaragden und endete schliesslich in einem gesungenen Heiratsantrag, bei welchem sich die zwei männlichen Schauspieler küssten. Schon diese Runde gab Einblick in die Kreativität der Künstler. Sie konnten aus winzigen Zutaten und Inputs dramatische und kreative Stücke ins Leben rufen. Einfach faszinierend, wie spontan, offen und talentiert die Bühnenakrobaten das Publikum begeisterten. «Beim nächsten Spiel suche ich einen schönen Ort», sagte der Schiedsrichter und er konnte sich kaum noch beherrschen vor Lachen, als eine Besucherin «Recyclinghof» schrie. Der Input wurde aufgenommen und ein Stück mit pedantischen Entsorgungstagen, der Abfallpolizei und mafiösen Müllganoven nahm seinen Lauf. Beim Lieblingsspiel der Gruppen entschieden sich die Münchner für das «Genre-Spiel». Dabei durfte das Publikum zwei Spielarten auswählen, zwischen welchen die Mannschaft hin- und herspringen wollte. Man entschied sich für Horror und Tierdokumentation. Die Besucherinnen und Besucher kugelten sich vor Lachen, wie die deutschen Schauspieler dabei selbst ein leichtes Chaos bekamen. Die Winterthurer konterten mit dem Spiel «Tour de Suisse», bei welchem sich zum Thema «Hausputz», in verschiedene Kantone reisten und dort mit Dialekten und Klischees jonglierten. «Welches Thema bewegt derzeit Schaffhausen?», wollte der Schiedsrichter wissen und jemand sprach die zersägten Bänkli von der umstrittenen Kunstaktion an. Es folgte nun ein Hardrock-Song zu den zersägten Bänkli, der den Saal zum Kochen brachte. Nach der Pause folgte eine Reggae-Nummer zum Thema «Schaffhauser Züngli», ein Dolmetscher-Spiel und viele weitere amüsante Momente. Am Samstagabend kämpften die Münchner sodann gegen «Tsurigo» aus Zürich und beindruckten beispielsweise mit «Katzenyoga» vs. «Darkyoga». «Wir hatten zweimal eine geballte Ladung voller Improvisationskunst auf der Bühne», freute sich Katharina Furrer vom Schauwerk. Die Kammgarn war zweimal rappelvoll. «Für das Schauwerk ist der Theatersport eine Einstiegsdroge, um alle Generationen ins Theater zu locken», sagte Furrer weiter. Das Schauwerk minimiert das Suchtpotential, indem sie jeweils im Januar eine intensive Ladung an Theatersport freigibt und mit der Schnelligkeit und dem Erfindergeist die Kammgarn-Gäste restlos begeisterte.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 13. Januar 2025.

Nemo bringt ESC-Atmosphäre in die Kammgarn

Nemo gewann im Mai den Eurovision Song Contest. Am Wochenende nun sorgte der Auftritt in der Kammgarn für ein ausverkauftes Haus und ausgelassene Stimmung. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Foto: Michael Kessler. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier.

Plötzlich wurden in der
Kammgarn am Samstagabend alle Lichter
gelöscht und die «Nemo, Nemo!»-Rufe immer
lauter und lauter. Das lange Warten
hatte ein Ende, und Nemo stürmte im
Lichtgewitter auf die Bühne. Nemo hatte
im Mai den Eurovision Song Contest (ESC)
gewonnen. «Es ist so schön, hier zu sein!»
Und schon fetzte Nemo den ersten Song
durch die Boxen.
Mitten auf der Bühne thronte ein Plüschtiger.
Ein Symbol für Stärke, welche Nemo
beim Sieg am europäischen Musikwettbewerb
dieses Jahr gezeigt hat und auch für
den Mut, welchen Nemo bei seinem Outing
als nonbinäre Person letztes Jahr bewiesen
hat. Es war ein Befreiungsschlag, der im
Song «This Body» verarbeitet wurde. Der
Tiger steht aber auch für Nemos spielerische
Seite, welche beim Auftritt in der
Kammgarn immer wieder bewiesen wurde.
Nemo wirkte frisch, fröhlich, gelassen und
sehr sympathisch. «Kammgarn, ich will
alle Hände sehen», oder «Kommt, lasst uns
alle richtig wach werden», rief Nemo der
ausverkauften Halle entgegen. 800 Besucherinnen
und Besucher tanzten zu den
Liedern und sangen die Refrains mit. Die
fünfköpfige Band unterstützte und war
energiegeladen und ausgeflippt. Am Synthesizer
stand Dr. Mo, der bei jedem Song
eine kleine Choreografie zu tanzen wusste,
die Gitarristin trug eine coole Sonnenbrille
und wirbelte zusammen mit dem Keyboarder
wild die Haare durch die Luft.
Ein variantenreiches Programm
Der Schlagzeuger erzeugte mit Donnergrollen
einen Tornado nach dem anderen,
und der Bassist hatte lässig seine Hoodie-
Mütze tief ins Gesicht gezogen. Alles
wurde gefilmt von einer jungen Dame auf
der Bühne, die übergrosse weisse Ohrenschützer
trug. Nemo hatte ein variantenreiches
Programm dabei. Mit wilden
Technobeats verzückte Nemo die einen,
mit sanften Balladen, welche inmitten
des Publikums gesungen wurden, die anderen.
Das bunte Programm wirkte, als
hätte ein Regenbogen mit einer Starkstromleitung
geflirtet. Es blitzte und
zischte, abgewechselt von harmonischen
Zwischenklängen.
Es gab auch witzige Momente, als Nemo
einen neuen Namen für ein Plüschtier
suchte, das auf die Bühne geworfen wurde,
oder als die Trockeneismaschine so viel
Nebel erzeugte, dass Nemo fragen musste:
«Seht ihr mich überhaupt noch?» Beim Lied
«Falling again» zückten die Gäste die
Feuerzeuge und Handytaschenlampen
und verwandelten die Kammgarn in ein
Lichtermeer. Nach diesem besinnlichen
Moment wurden Nemos alte Partyklassiker
wie «Himalaya» und «Ke Bock» ausgepackt,
welche für eine deftige Tanzstimmung
sorgten. Schön war, dass Nemo zu jedem
Hit eine Geschichte zu erzählen wusste
und damit einen Einblick in die Gefühlswelt
erlaubte. Als der Abend schon fast zu
Ende war, kam Nemo nochmals für eine
Zugabe auf die Bühne und rockte den ESCGewinnersong
«The Code» vom Parkett.
Mit diesem feurigen Final endete der vielfältige
und gelungene Abend.

Erschienen am 25. November 2024 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ von Hermann-Luc Hardmeier.