Von Hermann-Luc Hardmeier. Das Reich der Mitte und seine Energiepolitik standen im Zentrum eines Vortrags von Emanuel Höhener im Hotel Promenade in Schaffhausen. Die alternativen Energien hatten dabei einen schweren Stand.
«China hat einen riesigen Energiehunger», begrüsste Christian von Burg die Anwesenden. «Es sind Dimensionen, die wir uns kaum vorstellen können.»
Der Präsident der Aktion für eine vernünftige Energiepolitik (AVES) leitete mit seinen Worten das Referat von Emanuel Höhener im Hotel Promenade ein. Der Redner wohnt in Stetten und kennt die chinesische Energiepolitik aus seiner beruflichen Tätigkeit in
nationalen und internationalen Energie-und Kraftwerksgesellschaften.
 Mehr Kernenergie
Mit Zahlen und Grafiken untermauerte Emanuel Höhener den Energiehunger des Reichs der Mitte und die Art, wie China ihn zu stillen gedenkt: Die Nutzung von Kohle zur Energiegewinnung ist rückläufig, Wasserkraftwerke produzieren konstant Energie,
werden aber im Vergleich zu jenen in der Schweiz teilweise nicht effizient genutzt.
Die Energieproduktion aus Wind- und Fotovoltaiknutzung ist trotz riesiger Anlagen gering, was laut Höhener einen Grund hat: «Die Chinesen trauen dieser Technik auch deshalb nicht, weil sie als unzuverlässig gilt», so Höhener. Der Produktionsbeitrag
durch Nuklearenergie ist stark ansteigend. Während die alternativen Energien
in China aus Erfahrung heute eher vorsichtig behandelt werden, bauen
findige Ingenieure die Atomkraft mit Volldampf aus. Reaktoren der vierten
Generation mit neuen Techniken werden bald ans Leitungsnetz angeschlossen,
welches den Strom mit bis zu 1,1 Millionen Volt den Verbrauchszentren zuführt. 2014 waren 22 AKW-Kraftwerksblöcke in Betrieb, 28 neue in Bau. Alle vier Wochen geht ein neues Atomkraftwerk ans Netz.
Zuverlässiger Motor
Die Abwendung der Schweiz von der Nuklearenergie und Ideen wie 2000-Watt-Gesellschaft treffen in China auf wenig Verständnis. «Wir werden dafür gelinde gesagt belächelt», erklärt Höhener. «Die Vorgaben der Energiestrategie sind für sie eine
Spielerei der Reichen. Sie wollen nicht zurück zu Hunger, Armut und sozialem
Chaos und sehen dabei die Atomenergie als notwendigen, zuverlässigen
Motor. Mehr noch: Die AKWÂ gelten in China als saubere Energie
(Cleantec).» In der anschliessenden Diskussion kamen berechtigte Fragen auf wie: Was passiert mit den nuklearen Abfällen, und haben die Chinesen nicht Angst vor einer Katastrophe wie in Fukushima? Wie steht es mit der Energieeffizienz in China?
Emanuel Höhener liess diese Einwände nicht gelten, gab der Atomenergie aber
auch keinen Blankoschein. Die Gäste diskutierten beim anschliessenden
Apéro angeregt weiter. Sachlich gab es viele Differenzen. In einem war man
sich jedoch einig: In China sind die Dimensionen der Energiepolitik enorm
viel grösser als in der Schweiz. Das beginnt schon einmal dort, wo man den
Schaffhauser Moserdamm am Rhein mit dem Drei-Schluchten-Wasserkraftwerk
am Jangtse vergleicht.
Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Freitag, 10. April 2015.